HMHS Essequibo

S.S. Essequibo

Stapellauf: 06.07.1914, 8.489 BRT

Länge: 137,2 m, Breite 17,6 m, Tiefgang 9,3 m

Werft: Harland and Wolfe, Belfast

Eigner: Royal Mail Steam Packet Co.

Jungfernfahrt: 18.11.1914 nach Südamerika, danach transatlantischer Dienst (Brit. Guyana, Bermudas, Westind. Inseln, Halifax)

Kapitän: J. C. Chevet, Crew 320 Mann     Kapazität: je 250 Passagiere 1. und 3. Klasse

Requiriert als Hospitalschiff 1915 - 1919.

Essequibo im Dienst der Royal Mail
Essequibo im Mittelmeer - Fotografie von William Cox

H.M.H.S. Essequibo im Mittelmeer

Entsprechend den internationalen Regeln waren Hospitalschiffe mit grünem Band und roten Kreuzen auf weißem Grund gekennzeichnet.

Im Verlauf des Krieges wurden 16 Hospitalschiffe durch U-Boote oder Minen versenkt. Nach der Kriegsgebietserklärung konnten Hospitalschiffe im Bereich des Ärmelkanals versenkt werden, da unterstellt wurde, dass versteckt auch Truppen und Kriegsmaterial zwischen England und Frankreich transportiert wurden. Außerhalb des Sperrbereichs waren sie grundsätzlich durch Artikel 10 der Haager Konvention von 1907 geschützt. 

William Cox, Sanitäter des RAMC aus Settle, Yorkshire, notierte in einem Vortragsmanuskript, dass die Essequibo allein im August 1918 viermal angegriffen wurde. In einer Nacht wurde versucht, sie zunächst mit Artillerie und später einem Torpedo zu versenken.

Eingesetzt wurde die Essequibo ab 1915 zunächst von der britischen Royal Navy zum Transport Verwundeter von der Halbinsel Gallipoli und Ägypten nach Neapel. Später auch für über 50 Transporte zwischen Frankreich und Großbritannien (South- hampton). Diese Transporte wurden wegen der durch deutsche U-Boote drohenden Gefahr meist nachts durchgeführt. Die Essequibo fuhr dabei die gleiche Route wie das am 03.08.1918 durch Torpedo versenkte australische Hospitalschiff HMAT Warilda. Auf den Fahrten von Frankreich nach England wurde die Essequibo auch oft dazu genutzt, jeweils über 50 deutsche Kriegsgefangene nach England zu transportieren. Diese wurden während der Überfahrt über den Kanal in den unteren Abteilungen des Schiffes festgesetzt.

Ab 1917 dann Einsatz als eines von fünf Hospitalschiffen des Royal Canadian Naval Medical Service zum Transport insbesondere kanadischer Verwundeter, die aus dem Mittelmeerraum über England nach Kanada zurückgeführt wurden. Sie absolvierte für den RCNM 9 Fahrten und transportierte bis 1919 insgesamt 5.106 Verwundete nach Kanada (u.a. Montreal).


15. März 1917

Die Essequibo kreuzt um 14:30 Uhr im Atlantik 100 sm westlich von Irland das Tätigkeitsgebiet von U-54. Auf den vermeintlichen Dampfer mit Ostkurs wird ein Unterwasserangriff eingeleitet.

Beim näheren Herankommen wird der Dampfer als Lazarettschiff ausgemacht. Um 17:00 Uhr taucht U-54 auf und gibt das Signal “Stoppen Sie sofort”. Da dies zunächst nicht beachtet wird, erfolgt ein Warnschuss. Danach werden Funksignale gehört, die ein U-Boot melden.

Branscheid klickenDurch Signal wird ein Beiboot des Hospitalschiffes längsseits gerufen um den Namen festzustellen und Aufschluss über die gehörten Funksignale zu bekommen.

Es wird festgestellt, dass es sich um den Dampfer “Essequibo” auf der Fahrt vom Mittelmeer nach England mit Verwundeten handelt. Die F.T.-Signale stammen nicht vom Dampfer.

KL Freiherr von Bothmer entläßt das Schiff. Während U-54 den Dampfer passiert, bringen dessen Passagiere 3 Hurras auf das U-Boot aus.

Als Dank setzt U-54 das Flaggensignal “Glückliche Reise” und erhält von der Essequibo die Antwort “Danke sehr”.

Dieses von Bord der “Essequibo” aus aufgenommene Bild zeigt U-54 mit dem Flaggensignal T-D-L beim Passieren des Hospitalschiffs. Nach dem zwischen 1901 und 1932 genutzen Internationalen Code “Ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise” (heutiger Code W-A-Y).

Das Bild wurde zu der über U-54 geführten Akte genommen. Der britische Aufklärungsdienst war sich offenbar nicht genau über die Identität des U-Bootes sicher und notierte ergänzend “oder U 70”.

T

D

L

Flagge T
Flagge D
Flagge L
Essequibo gestoppt von U-54
Essequibo - Beiboot längsseits U-54
Essequibo - Beiboot kehrt zurück
Room 40 - Akte U54. Flaggensignal bei Passieren der  Essequibo.  Copyright National Archives, London

HMHS Essequibo -  Alle Bilder dieses Abschnitts aus Sammlung Dr. Pelteret

Auf der HMHS Essequibo (Postkarte) betreute während des Krieges u. a. Sanitätspersonal aus Großbritannien, Australien, Südafrika und Kanada die Verwundeten.

Sie verfügte über 15 Stationen mit insgesamt 600 Betten. Neben den Krankenschwestern war auf ihr auch eine Einheit des Royal Army Medical Corps (RAMC) mit 6 Sanitätsoffizieren und 70 Mann eingesetzt.

Die Verwundeten wurden je nach Art der Verletzungen (wie Splitterwunden, Kopfwunden, Brandverletzungen, Giftgas, Erblindungen) in den Stationen versorgt.

Vor dem Auslaufen ging der Stationsverantwortliche herum und verteilte an die Verwundeten kleine Kärtchen, auf denen die Nummer eines Rettungsbootes stand. Im Ernstfall mussten sie sich dann zu diesen Booten begeben oder von den Sanitätern gebracht werden. Die Angst vor U-Bootangriffen und Minen begleitete ständig die Besatzungen. Die nicht bettlägerigen Verwundeten durften mit Rettungswesten an Deck und mussten die für sie vorgesehenen Rettungsboote vor Auslaufen inspizieren.

Cornell - Einsatzorder Essequibo
Essequibo-Lazarett
Bertha Mary Cornell

Bertha Mary Cornell, geb. 21.09.1872, Krankenschwester aus Südafrika, verstorben 04.07.1959. Eingesetzt in verschiedenen Militärkrankenhäusern und an Bord der Essequibo.

“Meine Station, auf der ich all die armen verwundeten Soldaten gepflegt habe.”

Pfleger und Sanitäts- offiziere an Bord der Essequibo.

Essequibo-Pfleger-Sanitätsoffiziere
HMHS Salta

HMHS Salta liegt neben HMAS Essequibo im Hafen.

Viele Sanitäter dienten für mehrere Jahre auf dem Hospitalschiff und sahen während der Einsätze kaum das Tageslicht. Sie hatten jedoch auch viel Freizeit. So gab es auf dem Schiff einen Chor und eine kleine Band mit Streichinstrumenten. Ebenso einen Fußball- und einen Cricketclub. Die größte Attraktion war aber eine “Comic-Band” mit über 20 Mitgliedern. Diese trat auch an Land auf verschiedenen Sportplätzen auf und sammelte anschließend Geld für das St. Dunstan’s Blindenhospital.


Im Jahr 1919 wurde die Essequibo nach ihrem Einsatz als Hospitalschiff an die Royal Mail Steam Packet zurückgegeben und von dieser 1922 an eine Tochtergesellschaft, der Pacific Steam Nav. Co. verkauft. Sie wurde weiter im Fracht - und Passagierdienst (New York-Panamakanal-Callao-Valparaiso) eingesetzt und 1935 an die russische Gesellschaft Arcos Ltd. für 21.000 Pfund veräußert. Bis zum Abwracken versah sie als “Neva” ihren Dienst und wurde 1957 aus dem Lloyds-Register gestrichen.

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Branscheid klein Aus den Erinnerungen des Marineingenieurs Hans Branscheid:

Das Boot steht zu dieser Zeit etwa 100 sm querab von Irland. Weiter geht es jetzt mit Süd-Kurs. Wir hoffen, vor dem Eingang den Kanals und der Ansteuerung in den St.-Georg-Kanal lebhafteren Verkehr anzutreffen. Die See ist ruhig und wie der pirschende Jäger mit spähenden Augen sein Wild sucht, so richten auch wir die scharfen Gläser auf die Weite des Meeres um unser Wild zu suchen.

Wir betrachten uns mit dem Recht den Stärkeren als die Herren der See. Da kommt vom Turm die Meldung an den Kommandanten "Backbord voraus Rauchwolken"! Die Rauchwolke kommt schnell näher und als sich Masten und Schornsteine über die Kimm schieben, wird das Fahrzeug als ein auf dem Kurs nach England liegender feindlicher Fahrgastdampfer ausgemacht.

Bei weiterem Aufkommen ist das Fahrzeug durch weissen Anstrich und einem grünen Strich aussenbords an der Schiffswand und rotem Kreuz als Lazarettschiff kenntlich. Es hat ca. 15.000 t. Das Schiff wird durch einen Schuss vor den Bug gestoppt und der Kapitän mit Papieren zur Feststellung des “Woher” und “Wohin" aufs Boot befohlen. Obwohl der Dampfer im Sperrgebiet fährt, darf er infolge von Einschränkungen, denen Lazarettschiffe unterliegen, nicht versenkt werden; es sei denn, dass das Lazarettschiff unmittelbar, ausser seinem eigentlichen Zweck, auch zum Transport von Kriegsmaterial oder als Transporter Verwendung findet. Nach den Schiffspapieren musste dem Dampfer freie Fahrt gegeben werden. Während die Papiere geprüft werden, eine Durchsuchung des Schiffes durch Prisenkommando fand leider nicht statt, sind die Fahrgäste des Dampfers auf dem Bootsdeck versammelt. Sie glauben mit Mann und Maus zu den Fischen geschickt zu werden, denn ein Mann, es war der Erscheinung nach ein Priester, spendete Ihnen seinen letzten Segen. Die Rückkehr des Kapitäns und die Bekanntgabe zur freien Fahrt löst aber geradezu einen fanatischen Sturm der Begeisterung und Freude aus. Man drängt sich an die Reeling, winkt mit Tüchern und bedenkt uns mit „three sheers for german submarine".

Wir gehen unter Wasser. Unsere Stimmung ist schlecht. Erlebten wir doch soeben die von der Reichsregierung der Führung des U-Bootskrieges aufgezwungene Schwäche am praktischen Beispiel. War es denn überhaupt möglich, dass ein solches Schiff weiter im Dienste Englands fahren durfte, einem Lande, das Deutschlands Frauen und Kinder dem Hunger auslieferte. War man sich nicht darüber klar in der Auffassung, dass es bei diesem Existenzkampf nur darauf ankommen musste mit allen Mitteln eine Verknappung das feindlichen Schiffsraumes anzustreben, um so eine Gegenblockade wirksam zu machen: Einschränkungen in der Durchführung wie überhaupt die Beschneidung hierzu sich bietender grösster Möglichkeiten zur Niederringung Englands haben uns um entscheidende Erfolge gebracht und uns den Krieg verlieren lassen. Unserem Führer der Unterseeboote und der Flottenleitung sind keine Vorwürfe zu machen; der Widerstand in der Durchführung des uneingeschränkten U-Bootkrieges lag bei der Reichsregierung.

Wir konnten es unter Wasser nicht begreifen, dass dieses Schiff zum Nachteile Deutschlands weiter im Dienst unseres grimmigsten Feindes fahren durfte, und waren überzeugt, dass die Engländer unser Verhalten auch nicht begriffen haben.”

 

Anmerkung des Webmasters:

Ob es das geschilderte Unverständnis über die Unzulässigkeit der Versenkung des Hospitalschiffes damals tatsächlich gegeben hat, kann nicht sicher angenommen werden. Die “Weltkriegserlebnisse” wurden von dem im 2. Weltkrieg wieder aktiven Offizier Hans Branscheid 1942 unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Propaganda geschrieben und sollten zu diesem Zeitpunkt auch die Jugend für den Dienst zur See auf U-Booten gegen England begeistern.

Im KTB von U-54 wird nichts von einem Tauchgang beim Ablaufen nach der Kontrolle der Essequibo berichtet. Auch die von gegenseitigem Respekt und Höflichkeit zeugenden Flaggensignale werden in den Erinnerungen nicht erwähnt.

 

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